Fallbeispiel: Beidseitige Unterschenkelgeschwüre

Nach einem Sturz im eigenen Garten leidet eine 62-jährige Patientin mit Lymphödemen an nicht heilenden Geschwüren an beiden Unterschenkeln. Wie wurden die Ulcera behandelt? Und wie wurde die Kompressionstherapie gestaltet? Das erfahren Sie in unserem bebilderten Fallbeispiel.

Geschlecht

Frau

Alter

62 Jahre

Führende Wundursache

chronisch-venöse Insuffizienz

Diabetes mellitus

nein

Lokalisation der Wunde

linker Unterschenkel anterior, rechter Unterschenkel medial

Wundart

chronisch

Wundgrund

links: Fibrin, Biofilm, rechts: Fibrin, Biofilm, Granulation

Wundumgebung

links: gerötet, feucht, Läsionen, rechts: feucht, Lymphbläschen, Läsionen

Wundrand

links: ödematös, unregelmäßig, rechts: teilweise ödematös, teilweise mazeriert

Exsudation

mäßig bis stark, serös, geruchlos

Mittwoch, 22. Mai um 19.30 UhrDas kostenfreie Online-Seminar zum Fallbeispiel

Ausgangssituation

Seitdem sie vor 3 Monaten im eigenen Garten gestürzt ist, leidet Frau H. an nicht abheilenden Wunden an beiden Unterschenkeln. Die zunächst kleinen Wunden zeigen sich inzwischen mit einer Größe von 4,8 x 2,5 cm rechts und 6,6 x 4,8 cm links. Als sie daraufhin ihren Hausarzt aufsucht, veranlasst dieser eine gefäßdiagnostische Untersuchung, die neben einer chronisch-venösen Insuffizienz eine zufriedenstellende Durchblutungssituation ergab. Der Hausarzt diagnostizierte Ulcera cruris venosum sowie ein Lymphödem. Für die Versorgung der Wunden sucht Frau H. eine spezialisierte pflegerische Praxis mit angebundenem Entstauungszentrum auf.

Anamnese

Diagnose

Visuelle Analogskala (VAS)

Die Visuelle Analogskala dient der Messung subjektiver Empfindungsstärken, z.B. für Schmerzen oder Juckreiz. In diesem Fallbeispiel dient sie der Schmerzeinschätzung. Ein Wert von 0 entspricht dabei keinem empfundenen Schmerz, während 10 die stärkste vorstellbare Schmerzempfindung darstellt.

Der Wundverlauf auf einen Blick

Foto 1: Ausgangssituation, rechts (Tag 1)
Foto 2: Ausgangssituation, links (Tag 1)
Foto 3: Deutlich verkleinerte Wunde, rechts (Tag 16)
Foto 4: Etwas verkleinerte Wunde ohne Fibrin und Biofilm, links (Tag 16)
Foto 5: Abgeheilte Wunde, rechts (Tag 39)
Foto 6: Wunde mit instabilem Epithelgewebe am Wundrand, links (Tag 39)

Dokumentierter Wundverlauf

Die Wunde am rechten Unterschenkel zeigt sich zunächst mit einer Länge von 4,8 cm, einer Breite von 2,5 cm und einer Tiefe von 0,1 cm (Foto 1). Die Exsudation ist mittelstark, serös und geruchlos. Neben wenig Granulationsgewebe sind auf dem Wundgrund vor allem Fibrin und Biofilm erkennbar. Der Wundrand ist teilweise ödematös und mazeriert, die Wundumgebung ist feucht und es zeigen sich Lymphbläschen und kleinere Läsionen.

Am linken Unterschenkel ist eine 6,6 cm lange, 4,8 cm breite und 0,2 cm tiefe Wunde zu erkennen (Foto 2). Die Exsudation  ist serös und geruchlos und stärker als am rechten Unterschenkel. Am Wundgrund zeigen sich Biofilm und Fibrin. Der Wundrand ist ödematös und unregelmäßig. Außerdem sind hier einige Läsionen zu erkennen, die die Folge der vorherigen Fixierung einer Wundauflage mit einem Fixiervlies sind.

An beiden Beinen ist die Umgebungshaut eher trocken. Zudem sind beidseitig starke Ödeme erkennbar (linke Wade 495 mm, linker Knöchel 245 mm, linker Vorfuß 295 mm, rechte Wade 485 mm, rechter Knöchel 235 mm, rechter Vorfuß 265 mm). Schmerzen gibt Frau H. nur bei der Wundversorgung an (VAS 2-3).

Die Versorgung der Wunden wird an beiden Beinen identisch gestaltet. Nach einer mechanischen Wundreinigung mit einer Wundspüllösung und sterilen Kompressen führt der hinzugezogene Lymph- und Ödemtherapeut eine manuelle Lymphdrainage durch, die mit sterilen Handschuhen bis an den Wundrand durchgeführt wird. Anschließend erfolgt an beiden Unterschenkeln eine zweite, sehr gründliche mechanische Wundreinigung, um möglichst viel Biofilm zu entfernen. Diese ist für Frau H. zwar schmerzhaft, aber dennoch gut aushaltbar. Danach wird die Hautpflege mit einer ureahaltigen Creme durchgeführt und der Wundrand mit einer zinkhaltigen Creme geschützt.

Als Wundauflage kommen aufgrund der starken Exsudation beidseitig Superabsorber zur Anwendung. Diese werden mit Mullverbänden fixiert. Darüber werden unterpolsterte Kompressionsverbände mit Kurzzugbinden angelegt. Die Versorgung erfolgt in den ersten 5 Tagen täglich, danach alle 2 Tage.

Nach 15 Tagen hat sich die Wunde am rechten Unterschenkel auf eine Länge von 2 cm und eine Breite von 0,8 cm verkleinert und ist nur noch oberflächlich mit rotem Granulationsgewebe am Wundgrund und wenig klarer Exsudation (Foto 3). Der Wundrand und die etwas schuppige Umgebungshaut sind intakt. Zudem sind die Ödeme an beiden Beinen rückläufig (linke Wade 480 mm, linker Knöchel 240 mm, linker Vorfuß 265 mm, rechte Wade 465 mm, rechter Knöchel 230 mm, rechter Vorfuß 245 mm). 

Die Wunde am linken Bein hat sich ebenfalls verkleinert und ist nun 5,7 cm lang, 4,1 cm breit und 0,1 cm tief (Foto 4). Der Wundgrund weist körniges Granulationsgewebe auf und die Exsudation ist klar, serös und mäßig stark. Am Wundrand ist Epithelgewebe, aber auch Mazeration zu erkennen. Die Umgebungshaut ist bis auf wenige Läsionen intakt.

Die Wundreinigung wird weiterhin mit sterilen Kompressen und einer Wundspüllösung durchgeführt, nun allerdings mit besonders großer Vorsicht, um das neue Gewebe nicht zu schädigen. Ansonsten bleibt die Versorgung des linken Beins unverändert. Am rechten Bein wird die Wundversorgung hingegen auf einen PU-Schaum umgestellt, da die deutlich reduzierte Exsudation keinen Superabsorber mehr erfordert. Für die Kompression werden nun beidseitig Mehrkomponentenkompressionsverbände eingesetzt. Das Versorgungsintervall von 2 Tagen wird beibehalten.

Da die manuelle Lymphdrainage bei Frau H. aufgrund von Personalmangel nur noch einmal wöchentlich durchgeführt werden kann, kommt an den weiteren Tagen ein Gerät zur intermittierenden Kompression (12-Kammer-Gerät) zum Einsatz, das zunächst leihweise zur Verfügung gestellt wird. Der Lymphtherapeut leitet Frau H. an, wie und mit welcher Vorbereitung sie das Gerät auch zu Hause einsetzen kann. Frau H. kommt damit gut zurecht und kann das Gerät bis zu dreimal täglich einsetzen. Zudem zeigt der Therapeut Frau H. verschiedene Übungen zur Förderung der Muskel-Venen-Pumpe und rät ihr zu täglicher Bewegung in Form von kurzen Spaziergängen, die im weiteren Heilungsverlauf auch etwas ausgedehnt werden können.

Intermittierende Kompressionstherapie

Die intermittierende Kompressionstherapie kann eine Alternative zu Kompressionsverbänden und -strümpfen darstellen. Bei dieser Behandlungsform wird eine Manschette, welche eine oder mehrere Luftkammern besitzt, um Arme oder Beine gelegt. Die Manschette ist mit einem Kompressor verbunden, der bei Aktivierung die einzelnen Luftkammern der Manschette nach und nach mit Luft füllt. Nachdem alle Kammern gefüllt sind, wird die Luft in den Luftkammern abgelassen, bis ein neues Wechseldruckintervall beginnt. Die Druckstärke der einzelnen Kammern lässt sich über den Kompressor individuell einstellen.

Angewendet wird die intermittierende Kompression beispielsweise zur Thromboseprophylaxe bei eingeschränkter Mobilität, aber auch zur Entstauung bei phlebologischen Erkrankungen (z. B. Lymph- und Lipödem). Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Ulcusbehandlung, da sich die wechselnden Kompressionsintervalle positiv auf den venösen und arteriellen Blutfluss auswirken und somit die Wundheilung fördern.

Etwa 3 Wochen später ist die Wunde am rechten Unterschenkel abgeheilt und es zeigen sich nur noch wenige kleine Läsionen (Foto 5). Über das Epithelgewebe haben sich einige Schuppen gelegt, die vorsichtig entfernt werden. Die Ödeme sind weiterhin rückläufig (linke Wade 435 mm, linker Knöchel 230 mm, linker Vorfuß 245 mm, rechte Wade 405 mm, rechter Knöchel 225 mm, rechter Vorfuß 235 mm). 

Die Wunde links ist zu diesem Zeitpunkt noch 5,3 cm lang, 2,7 cm breit und an einer Stelle 0,3 cm tief, ansonsten fast auf Hautniveau (Foto 6). Der Wundgrund besteht aus Granulationsgewebe. Das Epithelgewebe am Wundrand ist noch recht instabil und weist einige Einrisse auf. Die Exsudation hat wieder leicht zugenommen und die Wundumgebung ist stellenweise gerötet. Es zeigen sich mehrere stecknadelkopfgroße Ulzerationen. Nach eigenen Angaben hat es Frau H. „mit der Bewegung in der letzten Woche etwas übertrieben.“ Die Pflegefachkraft rät ihr daraufhin, sich in nächster Zeit mehr zu schonen und die Beine zwischendurch immer mal wieder hochzulegen.

Die Versorgung des linken Beins wird nach vorsichtiger Wundreinigung weiterhin alle 2 Tage mit einer Zinkcreme als Wundrandschutz, einem Superabsorber und einem Mehrkomponentenkompressionssystem durchgeführt. Die Kompression erfolgt am rechten Bein ebenfalls. Der Mehrkomponentenkompressionsverband kann hier bis zu einer Woche verbleiben, wenn er nicht verrutscht. Die vollständige Entstauung des rechten Beins wird in den nächsten Tagen erwartet, sodass ein Termin zum Ausmessen von Kompressionsstrümpfen vereinbart wird. Das Bein wird dann bis zur Auslieferung der Strümpfe weiter bandagiert, um den Therapieerfolg nicht zu gefährden.

Da auch die Wundheilung am linken Bein voranschreitet und sich die Ödeme reduzieren, ist nicht damit zu rechnen, dass Frau H. die Lymphdrainage dauerhaft erhalten muss. Allerdings wird sie dauerhaft auf ihre Kompressionsstrümpfe angewiesen sein. Mit einer Abheilung der Wunde ist in den nächsten Wochen zu rechnen, wenn Frau H. die besprochenen Maßnahmen weiterhin gut umsetzt.

Bitte beachten Sie, dass es sich hier um ein konkretes Fallbeispiel handelt, das nur eine mögliche Behandlungsoption darstellt. Beachten Sie zudem, dass wir nicht gewährleisten können, dass in den von uns dargestellten Fallbeispielen ausschließlich Produkte von DRACO® zur Anwendung gekommen sind.